Der Erfolg von YouNow

Seit Wochen lese ich in den Medien so einiges über YouNow, einer Plattform für Menschen aus der ganzen Welt für Livestreaming. Viele News-Seiten warnen vor der Gefahr, dass man zu viel über sich preis gibt – oder beschimpft wird.

Ich habe mir in der letzten Stunde mal einige YouNow-er angeschaut. Mithilfe von Hashtags (z.B. #younow-girl) kann man Livestreamer filtern. Die Livestreamer wiederum können verschiedene Hashtags angeben. Unter dem von mir gewählten Hashtag findet man z.B. Frauen aus aller Welt.

Da ist beispielsweise jemand aus Amerika, der gerade Auto fährt. Ein Beifahrer hält die Kamera und die Fahrerin labert einfach mal drauf los – was sie so gerade macht und was sie einkaufen möchte. Ich weiß zwar nicht wen das interessiert, aber mehrere hundert Menschen gucken zu.

Ich zappe weiter und finde ein Mädchen aus Brandenburg – sagt sie zumindest. Im Chat wird sie andauernd gefragt, wie alt sie ist (16) und ob sie einen Freund hat. Für mich Fragen, die andere nichts angehen sollten. Aber als wären wir Freunde – oder Bekanntschaften im weitesten Sinne –, erklärt sie munter drauf los dies und das über ihr Leben. Liest Witze vor, die von Zuschauern geschrieben worden sind, und bedankt sich für jedes Abo – also wenn jemand ihren Livestream mag.

Ich schaue weiter: zwei Mädchen, eine davon heißt Lara S. und ist 13 Jahre alt. Fragt man Google nach ihrem kompletten Namen (ja, den nenne ich hier jetzt nicht) findet man ein Facebook-Profil was ihr zwecks Profilbild wohl gehört, ein Google-Plus-Profil und Instagram. Die Google-Bildersuche spuckt ebenfalls Bilder aus – die ich aber nicht genauer recherchiert habe. Sie scheint auf alle Fälle mal Sport zu machen. Beide Mädchen befinden sich in einem Badezimmer auf dem Fußboden, als „Decke“ mehrere Handtücher. Während die etwas jüngere herumalbert (ich schätze sie auf 11), liest Lara alle Kommentare vor und beantwortet diese: „Schlaft ihr im Bad?“ wird tausendmal gefragt. „Nein, wir schlafen unten“ ist tausend mal die Antwort – zuletzt leicht genervt. „Schöne Brille“ ist auch des Öfteren zu lesen – von ihren knapp 230 Zuschauern. Ich frage mich: Wieso gibt man als Kind so viele Informationen preis? Über Facebook – und ohne mich anzumelden – erfahre ich jetzt auch noch, dass sie Bruno Mars und Selena Gomez sowie Justin Bieber toll findet, Spongebob und die Simpsons mag, das Supertalent und Two and a Half Men guckt, höchstwahrscheinlich eine Playstation 3 besitzt, Karate mag und Taekwondo als Sportart ausübt sowie viele weitere „interessante“ Dinge. Da frage ich mich: Warum kann ich innerhalb so kurzer Zeit so viel über eine Person erfahren, die ich bis dato nicht kannte? Irgendwie habe ich ein mulmiges Gefühl dabei …

Ich beschließe wieder weiter zu zappen. Diesmal ein junges Mädchen an einem Schreibtisch. Musik läuft im Hintergrund und sie betont mehrmals, wie toll sie die Musik findet. So langsam macht sich Langeweile bei mir breit – es gibt für mich nichts Interessantes zu sehen. Alle lesen Kommentare vor und beantworten Fragen. Fragen, wie ich sie einer unbekannten Person nie stellen würde. Fragen, die ich niemals beantworten würde. Weil ich mich frage, warum es jemanden interessieren soll, etwas über mich zu erfahren. Schließlich weiß ich nicht, wer sich dahinter befindet. Es kann der nette Junge oder das nette Mädchen im gleichen Alter von irgendwo sein, allerdings auch ältere Menschen mit bestimmten Neigungen.

Aus Langeweile schalte ich wieder um: Ein Mädchen liegt alleine in ihrem Bett. Sie hat offensichtlich Probleme ihr Handy so zu positionieren, dass sie bequem die Kommentare lesen kann und gleichzeitig gut zu sehen ist. Als sie das hinbekommen hat, holt sie ein Stück Papier und beginnt Stückchen davon abzubeißen. Im Chat wird gesagt, sie solle probieren, es als Ganzes zu essen. Nach dem dritten Bissen beschwert Sie sich, dass das Stückchen an ihren Zähnen hängt – sofort probiert sie es zu lösen.

Ich schalte aus, fange an, diesen Blogeintrag zu verfassen, und frage mich: Was bringt Kinder dazu, sich selbst zu dieser späten Stunde (immerhin 1 Uhr morgens am Sonntag) zu filmen und Fragen aller Art – teilweise auch private – zu beantworten? Das ist wohl eine der Sachen, die ich nie verstehen werde. Mir würde nicht einmal in den Sinn kommen, die Kamera anzuwerfen und dann jedem Unbekannten „Hallo“ entgegen zu rufen. Geschweige denn Fragen zu beantworten oder Beschimpfungen zu lesen.

Und dann bleibt noch die Frage: Nimmt jemand den Livestream auf? Fertigt er Fotos an? Wenn ja – was macht er damit?

Ein Grund mehr, im Internet etwas vorsichtiger zu sein  – und vielleicht sollte man als Elternteil auch ein Auge darauf haben, was die eigenen Kinder so treiben. Reden hilft da oft mehr als ein Verbot. Denn Verbote brechen Kinder gern, haben aber wohl Nachsicht, wenn sie verstehen, was sie da eigentlich tun.

Grundsätzlich habe ich nichts gegen vernünftige Livestreams – wenn jemand also etwas erklärt oder Sinnvolles macht, z.B. Kochen mit Erklärungen, Let’s Plays, Skateboard fahren im Park mit Half-Pipes, … – es gäbe so viele spannende Sachen, warum ausgerechnet in der Bude hocken, eine Kamera auf sich richten und Fragen beantworten?

Was meinst du? Ist es okay das Kinder Livestreams starten und einfach über sich plaudern? Vielleicht habe ich zu wenig auf YouNow herum gesurft, aber was ich gesehen habe, empfand ich plump als langweilig. Mich interessiert nicht die Lieblingsfarbe von irgendeiner dahergelaufenen Person – geschweige denn möchte ich das Alter und den Namen der Person wissen. Wozu auch? Ich sehe sie sowieso nicht wieder, außer ich abonniere den Stream. Und selbst dann – was bringt es mir, jemanden anzuschauen, der offensichtlich auch Langeweile hat und deswegen live streamt?

YouNow – ich werde nicht wissen, warum du für viele jüngere Menschen so attraktiv bist. Ich schätze aber, dass diese Welle nicht lange anhalten wird. Es ist wie bei den jüngeren Let’s Playern: viele fangen an und noch mehr hören schon nach kurzer Zeit wieder auf. Ich bin gespannt, wie lange sich YouNow hält.

Edit: Alex hat noch ein nettes Youtube-Video gefunden.

Ein Gedanke zu „Der Erfolg von YouNow“

  1. YouNow wurde, so heißt es, erst durch Livestreams von bekannten YouTubern groß. Während ein Let’s Player ohne Probleme auf Twitch streamen kann, fehlt bei Beauty-Gurus der Spielebezug. Also haben sich diese eine Plattform gesucht, auf der sie dennoch mit ihren Fans kommunizieren können. Und so weit kann man YouNow nicht verurteilen.

    Ich kenne YouNow erst seit etwas über einem Monat. Damals ist dieses Video entstanden, das vor den Gefahren warnt: https://www.youtube.com/watch?v=hwxz41AjDmE

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